Wahrscheinlich ist es ein Traum für jeden ambitionierten Bergsteiger: einmal den höchsten Berg der Welt zu besteigen oder zumindest in seiner unmittelbaren Nähe gewesen zu sein. Für den zweiten Fall reicht dann vielleicht schon eine Übernachtung in einem Zelt in einem der beiden Basislager in Tibet oder in Nepal (beide in jeweils über 5.000 Metern Höhe gelegen), um dieses unbeschreibliche Gefühl, in der Nähe des Daches der Welt gewesen zu sein, zu bekommen. Verschiedene Pauschalreiseveranstalter bieten entsprechende Touren mittlerweile an. Dadurch wollen auch immer mehr Kletterer den Berg besteigen, die diesen Anforderungen nicht gewachsen sind.
Die Erstbesteigung des Mount Everest durch Sir Edmund Hillary und seinen Begleiter Tenzing Norgay am 29. Mai 1953 galt noch als Sensation, denn viele Expeditionen mit dem Versuch, den Gipfel als erstes zu erreichen, waren vorher gescheitert. Nun könnte man meinen, damit sei der Eroberungsgeist der Menschen erst einmal befriedigt worden, aber ganz offensichtlich ist genau das Gegenteil der Fall. Denn nachdem die Erstbesteigung des Mount Everest vollbracht war, entstand ein regelrechtes Wettrennen um immer wieder neue Rekorde an diesem legendären Berg, den nicht wenige Bergsteiger auch mit ihrem Leben bezahlen mußten. Im Laufe der Jahre gelang es so, den Gipfel auf unterschiedlichen Routen zu erklimmen, als erster Mensch ohne Sauerstoffmaske nach oben zu kommen, als erste Frau, als erster Skifahrer, als erster Behinderter mit Beinprothese, als erster Blinder und wahrscheinlich noch zahlreiche andere „Rekorde“ aufzustellen.
In den 90er Jahren begann dann allmählich ein regelrechter Pauschaltourismus auf dem Berg einzusetzen. Nicht nur die Elite der Bergsteiger wollte einmal den „Kick“ erleben, sondern zunehmend auch Freizeitsportler mit dem entsprechend gefüllten Geldbeutel. Denn die Regierung von Nepal hatte die Ambitionen der Kletterer aus aller Welt mittlerweile auch als durchaus lukrative Einnahmequelle für das Land erkannt. So müssen Expeditionen derzeit bis zu 70.000 Dollar bezahlen, um auf den Berg zu gehen. Um auch außerhalb der „Hauptsaison“ Bergsteiger mit kleinerem Budget zu begeistern, soll es jetzt sogar Ermäßigungen für die Nebensaisontermine geben – fast schon so, wie im Urlaubskatalog. Allerdings auch sehr viel gefährlicher, da dann die Wetterverhältnisse noch unberechenbarer sind und die Temperaturen bis auf -50%C sinken können.
Mittlerweile sind weit über 2.000 Menschen auf dem Gipfel des Mount Everest gewesen, über 200 sind beim Versuch, ihn zu bezwingen ums Leben gekommen. Die gefrorenen Körper, die zurückgelassen werden mußten, säumen an vielen Stellen den Weg kurz unter dem Gipfel. Und bei dem immer weiter einsetzenden regelrechten Massentourismus (mit Sonderangeboten in der gefährlichen Nebensaison) werden es in den nächsten Jahren sicher noch viel mehr werden.
Man fragt sich schon, wo diese Gier nach dem Reiz des Besonderen und immer neuen Herausforderungen enden soll. Warum brauchen wir Menschen diesen Kitzel? Wem nützt es, wenn Menschen auf den Everst hinaufsteigen und dabei bewußt große Risiken eingehen? Zu allem Überfluß hinterlassen die Kletterer in dieser einerseits unwirklichen, andererseits aber wunderschönen Welt des Himalayas ihre unvermeidlichen Spuren: die Abfälle von Hunderten, wenn nicht Tausenden Expeditionen sind nicht mehr zu übersehen.