Vor ein paar Tagen haben wir schon einmal über das geplante Großprojekt zur Landgewinnung vor Helgoland berichtet. Der Hamburger Bauunternehmer Arne Weber hat konkrete Pläne erarbeitet, wie die seit fast 300 Jahren voneinander getrennte Insel Helgoland und die vorgelagerte Badedüne durch massive Sandaufspülungen wieder miteinander verbunden werden können. Die Badedüne war bei der Neujahrssturmflut im Jahre 1721 komplett von der Hauptinsel abgespalten worden. Sollte das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, würde sich die Fläche Helgolands auf einen Schlag fast verdoppeln. Ob es sich hierbei um eine tolle Vision oder aber um eine Schnapsidee handelt, hängt sicher immer vom Blickwinkel des Betrachters ab.
Grundsätzlich sind die bisher vorliegenden Pläne sicher erst einmal recht beeindruckend. Das ganze Bauvorhaben soll für 80 Millionen Euro umsetzbar sein und nach den zitierten Aussagen des Bauunternehmers Weber soll die Finanzierung überhaupt kein Problem darstellen. Die (privaten) Investoren stehen Schlange.
Aber wofür braucht man auf Helgoland überhaupt neues Land? Die Antwort lautet: aus rein wirtschaftlichen Gründen. Das einzige Argument für eine solche Investition ist der seit Jahren anhaltende Besucherrückgang auf der Insel Helgoland. Dem möchte man mit dem Projekt „Landgewinnung“ entgegenwirken, denn auf den gewonnenen 100 Hektar Fläche sollen vornehmlich neue Hotels, ein Kreuzfahrtanleger, eine verlängerte Flugzeug-Landebahn und schöne lange Strände entstehen. Derzeit ist die Insel nur recht umständlich zu erreichen und größere Schiffe können nicht anlegen. Und auch ansonsten fehlt es Helgoland, abgesehen von der gesunden Seeluft, an größeren touristischen Attraktionen, für die die Gäste gerne eine beschwerlichere Anreise auf sich nehmen.
Nun darf aber sicher auch zu Recht die Frage gestellt werden, ob solche, rein wirtschaftlichen Motive wirklich ausreichend sind, für eine Investition dieser Größenordnung. Natürlich ist es den Helgoländern zu wünschen, dass sie vernünftige Einnahmen aus dem Fremdenverkehr erzielen können (viel mehr gibt es auf Helgoland ja auch kaum). Auf der anderen Seite ist es ja nicht gerade so, dass es in Deutschland (oder auch auf der Welt) nicht sehr viel dringlichere – auch soziale – Projekte gäbe, die der Gemeinheit einen sehr viel größeren Nutzen bringen würden, als die Landgewinnung für eine kleine Nordseeinsel, um deren Tourismus anzukurbeln. Auf Helgoland benötigt man das Land nicht, um neuen Lebensraum zu gewinnen, weil es auf der Insel vielleicht zu eng geworden ist, sondern wirklich ausschließlich für touristische Zwecke. 80 Millionen Euro ließen sich sicher auch an anderen Plätzen (auf bestehendem Boden) sehr gut und gewinnbringend (sowohl für die Investoren als auch die Allgemeinheit) investieren, ohne dabei massiv in die Natur eingreifen zu müssen. Das gleiche gilt natürlich auch für solche Megaprojekte wie in Dubai oder auch für die Sandaufspülungen vor Sylt.
In Zeiten, in denen über explodierende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise auf der ganzen Welt gesprochen wird, die schon in kurzer Zeit zu massiven Hungersnöten führen können, weil sich die Bevölkerung die Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können, in denen über globale Klimaänderungen (unter anderem auch mit weitreichenden Folgen für dem Festland vorgelagerte Inseln) diskutiert wird und in denen Mais und andere Nahrungsmittel lieber für PKW-Kraftstoff als für die Ernährung von Menschen genutzt werden, haben wir doch eigentlich andere Sorgen als für eine kleine Insel ein paar Hektar Land zu gewinnen, die man eigentlich nicht braucht. Also doch eine Schnapsidee? Wie oben bereits erwähnt – sicher immer eine Sache des Standpunkts.