Straßenhändler gehören in zahlreichen südeuropäischen Urlaubsorten zum sommerlichen Straßenbild wie streunende Tiere, Motorroller und Eisdielen. In den meisten Regionen werden die illegalen Verkäufer mit ihren ordentlich aufgereihten Handtaschen, DVDs und Sonnenbrillen davongejagt – nicht so in Calafell und El Vendrell an der spanischen Costa Dorada.
Hier ist erlaubt, was eigentlich verboten ist: die fliegenden Händler, oftmals illegale, ohne Papiere in Spanien lebende afrikanische Einwanderer, dürfen künftig abseits der Flaniermeilen und touristischen Zentren unbehelligt von der Polizei ihre Waren feilbieten. Zu ihrem Verkaufsrepertoire gehören vor allem gefälschte Markenprodukte und Raubkopien von DVDs und CDs, die sie als schwächstes Glied organisierter Banden, die die Plagiate produzieren, vertreiben.
Mit den Schutzzonen für Gefälschtes wollen die Stadtväter das Problem der Kopienverkäufer, das in Spanien als „top manta“ bezeichnet wird, in den Griff bekommen. Außerdem reagieren Calafell und El Vendrell mit der ungewöhnlichen Initiative auf die in der Vergangenheit mitunter eskalierenden Konflikte zwischen fliegenden Händlern und der Polizei – so hießen die Tandler die Gendarmerie beispielsweise in El Vendrell schon mal mit einem Steinregen willkommen. Anwesende Feriengäste zeigten sich solidarisch mit den Straßenhändlern und beleidigten die Beamten, die die „Ärmsten der Armen“ verfolgten.
Aber nicht jeder hält die Legalisierung des Verkaufs falscher Markenartikel für eine gute Idee: der lokale Einzelhandel und die Reisebranche sind äußerst aufgebracht und halten das Akzeptieren der unrechtmäßigen Händler für Rechtsbeugung. Schließlich verstößen die Dealer gleich dreifach gegen das Gesetz: sie leben nicht nur illegal im Land, sondern besitzen auch keine Marktlizenz und bieten darüber hinaus gefälschte Waren oder Raubkopien zum Verkauf.
Die Handelskammer in Barcelona ist darüber hinaus davon überzeugt, dass die Markenfirmen durch den florierenden Verkauf falscher Luxus-Uhren und Taschen enorme Einbußen hinnehmen müssen. Allerdings ist sich wohl jeder Tourist bewusst, dass es sich bei der beim Straßenhändler angepriesenen „Markenbrille“ um keine richtige Oakley oder Ray-Ban, sondern um eine billige Nachbildung handelt.