Milderte ein Misthaufen den Sturz aus dem Fenster der Prager Burg ab oder kam die Jungfrau Maria zu Hilfe? In jedem Fall überlebten die drei Vertreter des böhmischen Königs Ferdinand den freien Fall in den Burggraben. Doch die Folgen waren gewaltig: 30 Jahre lang tobte ein Krieg, der große Teile Mitteleuropas in Schutt und Asche legte und ganze Landstriche entvölkerte. Am 23. Mai 2018 jährt sich der sogenannte zweite Prager Fenstersturz zum 400. Mal.
Bis heute gilt der Dreißigjährige Krieg als die größte von Menschen gemachte Katastrophe der frühen Neuzeit. Seinen Ausgang nahm er in Böhmen. Dem zweiten Prager Fenstersturz gingen religiöse Auseinandersetzungen voran. Hatte Kaiser Rudolf II. von Habsburg 1609 den überwiegend protestantischen böhmischen Ständen noch die Religionsfreiheit zugesichert, so setzte sein Bruder und Nachfolger Matthias wenige Jahre später auf eine Rekatholisierung Böhmens. Nach Protesten der böhmischen Stände ließ er deren Versammlung auflösen. Aufgebrachte böhmische Protestanten machten sich zur Prager Burg auf. Sie trafen dort auf die königlichen Statthalter Jaroslav Graf von Martinitz und Wilhelm Slavata, die sie zusammen mit dem Schreiber Philipp Fabricius nach heftigem Streit aus dem Fenster stürzten.
Der infolge dieser Tat entflammte Böhmische Ständeaufstand stand am Anfang der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges, in denen verschiedene protestantische Fürsten und Stände gegen die Truppen der katholischen Habsburger kämpften. Der Aufstand endete 1621 mit der Enthauptung seiner Anführer. Böhmen wurde unmittelbar dem Hause Habsburg unterstellt und blieb es bis 1918. Der Krieg des Kaisers sollte aber noch viele Jahre weitergehen. Erstmals in der Geschichte der Kriegsführung setzten die Herrscher massiv auf Söldnerheere, die sich durch die Ausbeutung der jeweiligen Länder, in denen sie gerade stationiert waren, unterhielten. Söldnergeneräle wie Johann von Tilly, Ernst von Mansfeld oder Albrecht von Waldstein genannt Wallenstein, gingen für ihre brutale Kriegsführung in die Geschichte ein.
Wallenstein, der bekannteste Feldherr, führte lange Zeit die Truppen des Kaisers an, bis er bei diesem in Ungnade fiel und von dessen Anhängern 1634 ermordet wurde. Bis heute erinnern noch zahlreiche Orte und Einrichtungen an den sagenumwobenen Heerführer. Der böhmische Adlige, dem Friedrich Schiller seine berühmte Dramentrilogie widmete, war nicht nur lange Zeit erfolgreicher Generalissimus. Im nordböhmischen Frýdlant (Friedland) schuf er durch Kauf ab 1622 das Herzogtum Friedland, das er in wenigen Jahren zu einem prosperierenden, weitgehend vom Kriegsgeschehen verschonten kleinen Staat ausbaute. Im Gegensatz zu den verwüsteten Regionen des Landes wurde Friedland von den Zeitgenossen ?terra felix“ – glückliches Land genannt
Im dortigen Schloss erinnert eine kleine Ausstellung an den früheren Besitzer. Das Arsenal zeigt Waffen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf dem Dreißigjährigen Krieg. Im Pachelbelhaus am Marktplatz von Cheb (Eger) wurde Wallenstein am 25. Februar 1634 im Auftrage des Kaisers ermordet. Dort erinnert heute eine umfassende Ausstellung an Leben und Wirken des katholischen Generals. Die westböhmische Stadt veranstaltet seit 2005 im Sommer die Wallensteinfestspiele. Bei der zweitägigen Kostümveranstaltung werden die Besucher in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückversetzt. Es finden Turniere statt, Gelage und Dressurreiten, Söldner schlagen ihr Lage auf der Burg Eger auf und die Geschichte Wallensteins wird nachgespielt.
Besucher der Prager Burg können die Böhmische Kanzlei im Ludwigsflügel besichtigen, in dem sich das wohl berühmteste Fenster der Stadt befindet. (CzechTourism)