Von 1924 bis 1933, dem Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, lebte der Deutsch-Ungar Ödön von Horváth in Murnau. In diesem Jahr bereits zum achten Mal lassen die „Murnauer Horváth-Tage“ das zum Großteil im Markt am Staffelsee entstandene oder inspirierte Werk des Weltliteraten lebendig werden. Von 8. bis 17. November 2019 können Festivalbesucher für ihre Annäherung an den unbequemen Zeitgenossen der 1920er und 30er Jahre aus einem großen kulturellen Angebot wählen. Zu den hochkarätigen Kooperationspartnern und Mitwirkenden der Festtage zählen das Deutsche Theatermuseum München sowie die Wiener Burgschauspielerin Birgit Minichmayr. Die Festival übergreifende Frage, ob wir uns – 100 Jahre nach Horváth – in einer sozial wie politisch ähnlich brisanten Zeit wie der Weimarer befinden, spannt den Bogen von damals in die Gegenwart. Das vollständige Programm und Infos zum Kartenvorverkauf gibt es auf www.horvath-gesellschaft.de und www.murnau.de.
„Ich habe nur zwei Dinge, gegen die ich schreibe, das ist die Dummheit und die Lüge. Und zwei wofür ich eintrete, das ist die Vernunft und die Aufrichtigkeit“, hat Ödön von Horváth einst erklärt. Mit differenzierter Beobachtungsgabe, großer Hellsichtigkeit und spitzer Feder hatte der Bühnenautor und Romancier Menschen und Umstände seiner Zeit genau beschrieben, so auch die heraufziehende Gefahr durch den erstarkenden Nationalsozialismus. Mit seiner kritischen Haltung konnte sich der wohlhabende Diplomatensohn jedoch wenig Freunde machen. 1933 verließ der junge Schriftsteller Murnau. Nach 1936 durfte Horváth nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.
Längst hat der oberbayerische Künstlerort im Blauen Land den Schöpfer von „Jugend ohne Gott“ oder „Zur schönen Aussicht“ wiederentdeckt. Seit 1998 veranstaltet die hier ansässige, internationale Ödön-von-Horváth-Gesellschaft alle drei Jahre ein erstklassiges Festival von großer Strahlkraft. „Der thematische Schwerpunkt der diesjährigen Horváth-Tage ist die eindringliche Warnung des Literaten, dass seine Mitmenschen einem riskanten Tanz auf dem Vulkan frönten“, sagt Gabi Rudnicki, Vorsitzende der Horváth-Gesellschaft. So bestreiten Birgit Minichmayr und der Schauspieler Michael Grimm eben unter diesem Titel „Tanz auf dem Vulkan“ am Samstag, 9. November, eine literarische Revue mit Texten von Horváth, aber auch von Bert Brecht und Emil Kästner. Diese teilten mit ihm den genauen Blick auf die Leute und den Versuch, schriftstellerisch gegen Lüge und Dummheit und für Vernunft und Aufrichtigkeit zu streiten.
Theaterliebhaber kommen während des Festivals gleich mehrmals auf ihre Kosten. Bei „Begegnungen in der Fußgängerzone“ bringt die Murnauer Schauspielerin Chiara Nassauer-Boitsos Spaziergängern „Horváth spontan“ näher. Das Zwei-Personenstück „36 Stunden“ mit Pia Kolb und Max Pfnür stellt eine Bühnenadaption des gleichnamigen Horváth-Romans dar und ist Dienstag und Mittwoch zu sehen. Schauspieler mit und ohne Behinderung interpretieren seine „Sportmärchen“ szenisch. Erich Kästners sozialkritischer Großstadtroman „Fabian“ ist Vorlage der Tragikomödie „Gang vor die Hunde“, mit der am 16. und 17. November das Festival beschlossen wird.
„Brandaktuell sind die Horváth-Tage nicht nur wegen ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzung“, sagt Rudnicki, „wir bieten außerdem jungen Autoren aus Salzburg ein Forum.“ Bei Salzburg hatte Horváth nach seinem Fortgang aus Deutschland länger gelebt.
Auch, was die Veranstaltungsorte angeht, öffnet sich das Festival und bespielt nicht nur in Murnau Kulturstätten, Kirchen, Lokale und Aulen, sondern macht auch einen Exkurs nach München – zur aktuellen Horváth-Ausstellung ins Deutsche Theatermuseum. Zwei Horváth-Gespräche mit Hochkarätern wie z.B. Philosoph Julian Nida-Rümelin sowie die Preisverleihung des Ödön-von-Horváth-Preises an Kabarettist Josef Hader runden das Kulturangebot ab. Das vollständige Festival-Programm und Infos zum Kartenvorverkauf gibt es auf www.horvath-gesellschaft.de. (TI Murnau)