Es mutet schon etwas skuril an: Dresden ist stolzer Besitzer eines Weltkulturerbes – dem bekannten Dresdner Elbtal. Diese Auszeichnung hat das Tal seit dem Jahr 2004 inne und mehr oder weniger seitdem gibt es eine Diskussion, um eine Brücke, die die Elbe queren soll und deren Verlauf durch dieses Elbal führt. Gegner und Befürworter dieser Brücke haben in den letzten Monaten und Jahren alle Register und Argumente gezogen – mit dem vorläufigen Schluß, daß auf Drängen der Sächsischen Staatsregierung die Brücke gebaut werden soll, auch auf die Gefahr hin, daß dann der Weltkulturerbetitel für das Elbtal durch die UNESCO wieder aberkannt wird.
Die Entscheidung war also gefallen, eine Name für die Brücke längst gefunden („Waldschlösschenbrücke“, ein wirklich sehr schöner Name für eine vierspurige Schnellstrasse) – und die Bauarbeiter waren eigentlich schon im Anzug. Da stoppte das Dresdner Verwaltungsgericht in letzter Sekunde doch noch den Baubeginn. Grund war die „Kleine Hufeisennase“, eine seltene Fledermausart, die in dieser Region angesiedelt ist. Wahrscheinlich kennt kaum ein Dresdner den Namen diesen seltenen Tieres und noch weniger Bürger werden das Geschöpf überhaupt schon einmal zu Gesicht bekommen haben oder überhaupt wissen, daß es in diesen Gefilden seinen Lebensraum hat.
Der Entscheidung des Gerichts vorausgegangen war ein Eilantrag der Naturschutzverbände Grüne Liga, NABU und BUND Sachsen, dem das Gericht letztendlich stattgab, denn es gäbe doch noch einen zu lückenhaften Wissensstand über die „Kleine Hufeisennase“ und außerdem sei noch nicht belegt, daß vorgesehene Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise eine insektenfreundliche Beleuchtung, wirklich in genügendem Maße greifen würden.
Nun können die Wege durch die Instanzen weitere Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch nehmen; neue Gutachten werden erstellt werden müssen, die Planungskosten werden noch weiter in die Höhe schießen und vielleicht gibt es am Ende wieder einen neuen Eilantrag für irgendein anderes seltenes Geschöpf oder gar die Einsicht, daß der Erhalt eines, nicht selbstverständlichen, Weltkulturerbes doch höher wiegt, als eine neue vierspurige Schnellstraße, die vielleicht auch an anderer Stelle gebaut werden könnte.
Nicht nur in Dresden stoppen Fledermäuse größere Bauprojekte. Auch in Schleswig-Holstein scheint sich vielleicht ein vergleichbaren Fall anzubahnen. Der Naturschutzbund Deutschland sieht jetzt für ein geplantes Teilstück der Ostseeautobahn A20 in der Nähe von Bad Segeberg ebenfalls die Interessen bzw. den Schutz verschiedener Fledermäuse nicht ausreichend berücksichtigt. Es gibt in der Nähe der geplanten Streckenführung einige Höhlen, in denen die Fledermäuse überwintern. Ist ja eigentlich ganz lobenswert, dass alle möglichen Tiere geschützt werden sollen. Es verwundert mich nur, warum das in beiden Fällen erst fetgestellt wird, wenn es vorher schon jahrelange Planungsverfahren gegeben hat. Ist das nur PR der Naturschutzverbände oder geht es da wirklich um die Sache?
Auf jeden Fall handelt es sich hier um keine Einzelfälle. Es hat in der Vergangenheit immer wieder größere Bauprojekte gegeben, die durch nicht ausreichende Berücksichtigung der Lebensräume geschützter Tierarten, auf Betreiben der Naturschutzverbände gestoppt werden mußten. Im Hamburger Raum war das zum Beipiel der Wachtelkönig (Bauprojekt Airbus und die Autobahn A26), der Feldhamster in der Nähe von Köln (Kraftwerk von RWE) oder ein Molch, der den Bau der A44 zwischen Kassel und Eisenach bisher verhindert.
Eigentlich ist es ja sehr lobenswert, daß sich überhaupt jemand für den Schutz von Tieren bei solchen Projekten einsetzt, sonst würden sicher aus rein wirtschaftlichen Interessen noch viel mehr Bauprojekte entstehen. Warum solche Probleme allerdings immer erst kurz vor Baubeginn sehr medienwirksam hochkommen (und nicht bereits frühzeitig in der Planungsphase, wenn eigentlich noch kein Mensch darüber redet), wäre dennoch schon interessant zu wissen.