Einer vierköpfigen Forschergruppe ist die größte Antarktis-Expedition seit den 1950er Jahren gelungen. Damals gelang der Commonwealth Trans-Antarctic Expedition erstmals die erfolgreiche Durchquerung der Antarktis über den Südpol, unter der Leitung von Sir Edmund Hillary und Sir Vivian Fuchs. Während des diesjährigen antarktischen Sommers fand nun ein Team der neuseeländischen Regierungsbehörde Antarctica New Zealand den Weg über einen bisher unbekannten Abschnitt des Ross-Schelfeises, einem Eisgebiet von der Größe Frankreichs. Die lebenswichtigen Informationen zur Routenbestimmung lieferte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Daten des Radarsatelliten TerraSAR-X. Die erfolgreiche Traverse dient dem „Ross Ice Shelf Projekt“, das untersucht, wie das Schelfeis auf eine sich erwärmende Welt reagiert.

Das größte Sicherheitsrisiko beim Überqueren des Schelfeises ist die Spaltenbildung. So können unter der Schneedecke Gletscherspalten verborgen sein, die bis zum Meeresniveau hinab reichen.“Ohne die Daten von TerraSAR-X wäre es so, als ob wir uns blind auf einem Minenfeld bewegen. In der Vergangenheit wurde mit optischen Bildern gearbeitet, die im Wesentlichen nur Fotografien aus dem Weltraum sind. Mit Hilfe der Radarbilder lassen sich Spalten nun erheblich besser und sicherer kartieren“, erklärt Dana Floricioiu vom Earth Observation Center des DLR. Der am DLR in Oberpfaffenhofen betriebenen Radarsatellit blickt mit seinem Radarinstrument durch Wolken und trockenen Schnee hindurch und macht die verborgenen Spalten dadurch sichtbar.

Während Sir Hillary und Sir Fuchs zu ihrer Zeit Luftaufklärung nutzten, konnte das gegenwärtige Expeditionsteam auf TerraSAR-X-Daten und die Expertise des Missionsteams in Oberpfaffenhofen setzen. Es galt, eine sichere Route über unbekanntes Terrain und insgesamt 1.000 Kilometer Schelfeis zu erstellen – mit Erfolg: „Ohne Satellitendaten wäre es unmöglich, oder sehr, sehr, sehr viel Glück gewesen, unterwegs nicht auf Spalten zu treffen. Wir mussten so nur einmal von der geplante Route abweichen“, sagt Expeditionsmitglied Dan Price von der University of Canterbury in Christchurch, Neuseeland.

Verborgene Strukturen in Eis und Schnee
Durch das Eindringen der Mikrowellen in Schnee und Eis reagieren die Sensoren von TerraSAR-X empfindlich auf oberflächennahe physikalische Eigenschaften wie Nässe und Rauigkeit der abgebildeten Fläche. Der Satellit arbeitet im sogenannten „X-Band“, dem Frequenzbereich von 9,65 Gigahertz, und ist ein wertvolles Werkzeug für räumlich ausgedehnte Untersuchungen feiner Strukturen auf Eis und Schnee. Merkmale wie Fließlinien und Spalten können detailliert beobachtet und zur Untersuchung der Strömungsdynamik von Gletschern und Eisströmen genutzt werden. Das Radarinstrument verfügt darüber hinaus über verschiedene Aufnahmemodi, so dass feine Details in hoher Auflösung ebenso kartiert werden können, wie großflächige Bereiche.

Twin Otter-Flugzeug auf dem Ross Schelfeis

Ein DHC-6 Twin Otter Flugzeug bei der Landung auf dem Ross Schelfeis. Die Schelfeisoberfläche ist von Sastrugis (Erhebungen, die durch windbedingte Abtragungen von Schnee entstehen) bedeckt. Bild. DLR/Twin Otter.

Der Einsatz der Satellitenbilder hat sich auch im Feld richtig ausgezahlt. In dieser eintönigen und vollkommen strukturlosen Umgebung konnten wir anhand der Radardarstellungen immer exakt nachvollziehen, wo wir uns gerade befanden“, erzählt Price. Die Radaranalyse mit TerraSAR-X brachte außerdem zutage, dass ein Teil der Eismassen nicht mehr auf dem Meeresgrund verankert sind, sondern beginnen aufzuschwimmen – das Ross-Shelfeis schwimmt. Die genaue Aufsetzlinie wurde am DLR im Rahmen des ESA-Projekts „Antarctic Ice Sheet CCI “ erstellt.

Mit der erfolgreichen Traverse des südlichsten Gebiets der Erde konnte das Expeditionsteam Standorte für Bohrungen durch das Schelfeis identifizieren, um Informationen über das Eis, den Ozean und die Sedimente auf dem Meeresboden zu erhalten. Nächste Saison sollen auf der neu eingerichteten Route mehr als 60 Tonnen Material an die Siple Coast transportiert werden – von der Scott Base 1000 Kilometer über das Ross Ice Shelf.

Forschungspotenzial Tandem-L
Mit den Erdbeobachtungsmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X hat sich Deutschland eine einzigartige und weltweit anerkannte Expertise im Bereich der Radarfernerkundung erarbeitet. Mit dem Missionsvorschlag „Tandem-L “ soll künftig daran angeknüpft werden. Ziel ist es, die Landmasse der Erde im Wochenrhythmus abzubilden. Die Bildgebungstechnologie der Tandem-L-Mission soll dabei neue Maßstäbe in der Erdbeobachtung setzen. Die zeitlich und räumlich hochaufgelösten Daten könnten damit einen einzigartigen Zugang zu den sensiblen Polregionen schaffen und der Umwelt- und Klimaforschung dringend benötigte Information für die Überwachung der Eisdynamik und -struktur zu liefern. Derzeit findet die forschungspolitische Bewertung des Missionsvorschlags statt. Die Entscheidung bezüglich der Realisierung von Tandem-L wird für Mitte des Jahres erwartet. (DLR)