In diesem Jahr blicken viele Kurorte in Böhmen und Mähren zurück auf die Zeit der Gründung des ersten tschechoslowakischen Staates vor 100 Jahren. Denn dieses Datum ist auch mit einem Aufschwung des Kurwesens verbunden. Doppelten Grund zum Feiern gibt es in Mariánské Lázně (Marienbad). Dort feiert man 200 Jahre Kurtradition. Im Mai wird in vielen der rund drei Dutzend tschechischen Kurbäder die neue Saison mit Festen und der traditionellen Weihe der Quellen offiziell eröffnet.
Viele Kurorte in Tschechien waren schon im 19. Jahrhundert Treffpunkt von Adeligen und Künstlern aus ganz Europa. Nachdem das Kurwesen mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs fast zum Erliegen kam, nahm es mit der Gründung des ersten tschechoslowakischen Staates im Oktober 1918 einen neuen Aufschwung. Zu den beliebten Bädern dieser Zeit gehörte Luhačovice (Bad Luhatschowitz) in Südostmähren. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hatte dort der bekannte slowakische Architekt Dušan Jurkovič mehrere Bauten errichtet, in denen er Elemente des Jugendstils mit der traditionellen Volksarchitektur der Region verband. Sie prägen bis heute das Bild des Ortes. Seit den 1920er Jahren wirkten dort andere bekannte Architekten wie Bohuslav Fuchs. Der kleine Kurort am Fuße der Weißen Beskiden entwickelte sich zur Stadt und die Zahl der Gäste wuchs sprunghaft an. Zu den berühmtesten Besuchern des Kurortes gehörte der tschechische Komponist Leoš Janáček. Ihm zu Ehren wird jedes Jahr ein Musikfest veranstaltet, das dieses Jahr vom 16. bis 20. Juli stattfinden wird.
Für einige der jüngeren Kurbäder des Landes bedeutete die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine goldene Ära. Ein Beispiel dafür ist Poděbrady (Podiebrad) in Mittelböhmen. In der Elbestadt wurde 1905 bei Bohrungen auf dem Schlosshof eine starke Mineralquelle entdeckt. Drei Jahre später begann die erste Badesaison, doch erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich Poděbrady zu einem Kurort, der für die Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen bekannt wurde. Im Jahr 1930 sprudelten dort bereits 16 Quellen. Auch Jáchymov (St. Johannisthal) im Erzgebirge hatte in den 1920er Jahren seine erste Glanzzeit. 1906 begann der Badebetrieb im ersten Radonbad der Welt, 1912 wurde dort das neoklassizistische Hotel Radium Palace eröffnet, zu dessen ersten Gästen der Schriftsteller Karl May zählte. Der Krieg unterbrach die Entwicklung, doch danach wurde weiter in den Ausbau der Kuranlagen investiert und 1925 zählte man bereits 4.000 Kurgäste. Tschechiens erster Staatspräsident Tomáš G. Masaryk weilte mehrfach im Radium Palace. Das prachtvolle Hotel mit seinen mehr als 300 Zimmern ist noch heute das Schmuckstück des Kurorts und präsentiert sich nach seiner Renovierung Anfang 2007 in neuem Glanz.
In Marienbad erinnert man sich dieses Jahr nicht nur der Gründung der Tschechoslowakei, dort feiert man auch die eigene 200-jährige Kurtradition. Zwar wurde schon 1808 das erste feste Badehaus in der Nähe der Marienquelle eröffnet, doch erst am 6. November 1818 wurde Marienbad offiziell als Kurort anerkannt. Traditionell wird dort am zweiten Mai-Wochenende die Kursaison feierlich eröffnet. Beim Umzug in historischen Kostümen trifft man berühmte Gäste der Vergangenheit wie den britischen König Edward VII. Nach einem uralten Brauch werden an diesem Wochenende die Quellen geweiht und das Westböhmische Symphonieorchester gibt ein Konzert. Schon zwei Wochen zuvor, am 30. April, wird die Singende Fontäne an den Kurkolonnaden nach der Winterpause wieder in Betrieb genommen. Die Gäste können dann wieder zu jeder ungeraden Stunde die Wasserspiele zu klassischer Musik verfolgen.
Auch wenn in den tschechischen Bädern längst ein ganzjähriger Kurbetrieb herrscht, hält man dort an der Tradition der festlichen Eröffnung der Kursaison im Mai fest. In Luhačovice kann man dieses Ereignis vom 11. bis 13. Mai miterleben, in Jáchymov vom 26. bis 27. Mai. In Franzensbad begeht man in diesem Jahr ein kleines Jubiläum. Der Beginn der 225. Kursaison wird am Wochenende vom 19. bis 20. Mai gefeiert. In Karlovy Vary (Karlsbad), dem größten tschechischen Kurbad, startet man vom 4. bis 6. Mai bereits in die 661. Saison. Der Umzug durch die Stadt wird angeführt von Kaiser Karl IV., dem Namensgeber des Ortes.
In der Kurstadt Teplice (Teplitz) am Rande des Erzgebirges wird am Wochenende vom 26. bis 27. Mai bereits die 864. Kursaison eröffnet. Teplice gilt als ältester Kurort des Landes, denn bereits im Jahr 1154 nutzte man das dortige Mineralwasser für Heilungen im Spital des Benediktinerklosters. Seit im Jahre 1580 das erste Badehaus eröffnet wurde, zählte der Ort zahlreiche prominente Besucher, darunter Zar Peter der Große und die österreichische Kaiserin Sissi. Bekannt wurde Teplitz auch, weil dort 1812 die einzige Begegnung zwischen Ludwig van Beethoven und Johann Wolfgang von Goethe stattfand. Zu Ehren Beethovens findet bereits seit 54 Jahren ein Musikfestival statt. Es wird in diesem Jahr am 24. Mai eröffnet und bietet bis zum 21. Juni mehrere Konzerte mit Musikern aus dem In- und Ausland. Seinen Besuchern will Teplice in diesem Jahr eine neue Attraktion bieten. Bis zum Ende des Sommers soll dort das Thermalium eröffnet werden, ein modernes Thermalbad mit zwei Becken, mehreren Saunen und einer Salzgrotte.
Auch andere Kurorte investieren in den Ausbau und die Modernisierung der Anlagen. So beginnen in diesem Frühjahr in Luhačovice Erneuerungsarbeiten an den Kolonnaden. Nach Rückgängen in der Vergangenheit verzeichnen Tschechiens Kurorte seit einigen Jahren wieder einen Aufschwung. Nach Angaben des Statistischen Amtes zählte man dort 2017 rund 855.000 Gäste, etwa zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Fast ein Viertel von ihnen kommt aus Deutschland.