Das Museum im historischen Atelier von Josef und Franz Seidel im südböhmischen Český Krumlov (Krumau) feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Besucher erwartet dort nicht nur ein echtes Fotoatelier der Gründerzeit und eines der umfassendsten Archive mit Bildern aus dem Böhmerwald. Sie können sich dort auch stilecht ablichten lassen.
Besucher machen eine kleine Zeitreise, wenn sie das Haus in der Linecká 272 am Rande der Altstadt betreten. Alles wirkt, als hätten es seine früheren Besitzer erst vor wenigen Augenblicken verlassen. Dort warten Kostüme aus Urgroßmutters Zeiten, überdimensionale vergilbte Hintergrundbilder und Fotoapparate, deren Mattscheiben schon so groß sind, wie manch kompakter Tablet-PC. Wer das heutige Museum besucht, ist schnell von den Relikten aus der längst vergangenen Glanzzeit der Fotografie in seinen Bann gezogen. In Zeiten schnelllebiger Digitalschnappschüsse erscheint das alte Fotolabor mit seiner Chemie und den großen Entwicklungsapparaturen fast schon wie eine Alchemistenkammer.
Das Atelier aus dem späten 19. Jahrhundert ist mit seinem großen Glasdach eines von nur wenigen heute noch erhaltenen in ganz Europa. Vor der Eröffnung im Juni 2008 musste es zunächst aufwendig restauriert werden. Seitdem gehört es zu den touristischen Höhepunkten in der UNESCO-Welterbestadt. Von Anfang an verstand sich die Einrichtung auch als ein Zentrum der Verstän-digung zwischen Deutschen, Österreichern und Tschechen in dieser grenznahen Region.
Josef Seidel, Sohn eines Glasschleifers aus Teschen, war 1880 nach Krumau gekommen und wurde binnen weniger Jahre zum bekanntesten Fotografen der Region. Schon früh experimentierte er mit der farbigen Autochrom-Technik oder der Anfertigung von Panoramabildern. Sein Sohn Franz folgte ihm später auf dem Berufsweg. Er übernahm das Unternehmen nach dem Tode des Vaters 1935 und leitete es bis zur Enteignung durch die neue kommunistische Regierung 1949. Franz Seidel starb 1997. Nachdem seine Frau fünf Jahre später ebenfalls verstarb, drohten dem Haus und dem gesamten Archiv der Untergang. Doch 2005 konnte es die Stadt von den Erben übernehmen und mit der Sanierung beginnen.
Vater und Sohn hinterließen der Nachwelt ein Archiv von rund 140.000 Glasplatten- und Filmnegativen. Josef Seidel war von Anfang an nicht nur im Atelier tätig. Er reiste zu Fuß und später mit dem Motorrad zu jeder Jahreszeit durch den Böhmerwald und schuf eine der größten Sammlungen mit zeitgenössischen Fotografien aus dem Gebirge. Besonders beliebt waren seine Ansichtskarten, die er im Eigenverlag herausgab. Zudem dokumentierte er Menschen und Geschehnisse in einer Zeit, die für Tschechen und Deutsche in der Region nicht immer einfach war. Erhalten blieben auch verschiedene Fotoalben, Inventarbücher und Auftragslisten, die einen Einblick in die Arbeit des Unternehmens bieten. Als besonderes Erlebnis bietet das Museum seinen Gästen klassische Fotografien mit der historischen Ausrüstung an – vom Einzel- und Gruppenbild bis zum einstündigen professionellen Fotoshooting im Stil der Jahrhundertwende.
Geschichtsinteressierte können Abzüge der Originalbilder von Josef und Franz Seidel erstehen.
Der Gesamtbestand an Fotografien ist in digitalisierter Form als Internetdatenbank unter www.fotobanka.seidel.cz einsehbar. Das Museum Fotoatelier Seidel präsentiert sich unter www.seidel.cz.