Hält der Größenwahn jetzt auch in den Niederlanden Einzug? Nach Dubai und Russland (wir berichteten) denken nun unsere holländischen Nachbarn über den Bau einer künstlichen Insel vor ihrer Küste nach. Das zwischen 50 000 und 100 000 Quadratmetern große Eiland soll voraussichtlich die Form einer Tulpe haben und neben neuem Wohnraum Platz für ein Naturschutzgebiet und Landwirtschaft bieten.
Rund zehn Milliarden Euro sind für die Realisierung des Megaprojektes vor der Küste von Ranstad – laut Berichten der „Sunday Times“- vom niederländischen Premier Jan Peter Balkenende einkalkuliert worden. Über die tatsächliche Ausführung entscheidet eine, von der Regierung in Auftrag gegebene, Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse am 17. Januar 2008 präsentiert werden. Erfahrung im Wasserbau können die Niederländer zumindest wie kein zweites Volk vorweisen. Unter anderem waren sie auch in Hongkong und Dubai bei der künstlichen Landgewinnung mit Experten beteiligt.
Über Sinn und Unsinn der Kunstinsel lässt sich freilich vortrefflich streiten. Die Befürworter des Bauvorhabens führen vor allen Dingen die neuen Wohn- und Nutzflächen, die durch das zusätzliche Land entstehen ins Feld. In einem Land, in dem die Bevölkerungsdichte bei 484 Einwohnern pro Quadratkilometern liegt (zum Vergleich: Deutschland hat eine Bevölkerungsdichte von 231 Einwohnern/Quadratkilometer) sicherlich ein Argument das zieht. Jedoch ist fraglich ob das neu gewonnene Land später wirklich so vielen Niederländern zu Gute kommt oder ob eine Insel in Form einer Tulpe nicht eher als neue Touristenattraktion vermarktet wird, sprich dort Ferien- statt Einfamilienhäuser entstehen werden.
Zudem soll das neue Eiland den Küstenschutz unterstützen. Nur ist die Nordsee mit ihren bis zu zehn Meter hohen Wellen nun mal nicht der Persische Golf oder das Schwarze Meer. Das heißt, es muss erst mal kräftig in den Schutz der Insel investiert werden, bevor diese wiederum die niederländische Küste vor Abspülung bewahren kann. Die Baukosten, die aus Steuermitteln finanziert werden, werden dadurch erheblich in die Höhe getrieben.
Zu guter letzt bleibt die Frage, ob ein Land wie die Niederlande ein solches Prestigeobjekt überhaupt nötig hat. Anders als bei Dubai, handelt es sich bei unserem Nachbarland schließlich nicht um einen Wüstenstaat, sondern um ein Landschaftsgebiet, das reich an natürlichen Attraktionen ist (Inseln inklusive), die bereits jährlich viele Gäste aus aller Welt anlocken. Warum also das sensible Ökosystem der Nordsee mit einem künstlichen (und darüber hinaus auch kitschigen) neuen Eiland belasten?