Die üppig dekorierte Fassade leuchtet wieder in hellem Glanz, doch die Einschusslöcher von 1968 blieben bei der Renovierung des Prager Nationalmuseums erhalten und erinnern weiter an ein dunkles Kapitel in der jüngeren Geschichte des Landes. Pünktlich zum 100. Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei am 28. Oktober 2018 wird der Hauptsitz des Museums am Wenzelsplatz wiedereröffnet. Zu sehen ist dort eine Ausstellung, die sich dem gemeinsamen Staat von Tschechen und Slowaken widmet.
Bereits im Jahr 1818 gründeten patriotisch gesinnte Adelige das Vaterländische Museum in Böhmen, Vorläufer des heutigen Nationalmuseums. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der heutige Hauptsitz des Museums mit seiner 100 Meter langen, prachtvollen Fassade im Stil der Neorenaissance eröffnet. Mit seinem mächtigen Aufgang, dem Säulengang und seinen Kuppeln wirkt es wie ein Schloss. Sowjetische Soldaten, die 1968 einmarschiert waren, um den „Prager Frühling“ zu beenden, hielten es für ein Regierungsgebäude und feuerten darauf. Schon zuvor war der Mitteltrakt 1945 durch eine Fliegerbombe beschädigt worden, später verursachte der Bau der Prager Metro weitere Schäden. Der Zustand war ernst, als 2011 die umfangreiche Erneuerung des Gebäudes begann.
In den sieben Jahren, die seitdem vergingen, wurden nicht nur die gesamte Bausubstanz sowie zahlreiche Kunstwerke restauriert und die technischen Anlagen erneuert. Die Ausstellungsfläche wuchs durch Umbauten um 4.000 auf 12.000 Quadratmeter. Insgesamt 80.000 Exponate sollen künftig in acht Dauerausstellungen gezeigt werden. Die Wiedereröffnung des größten tschechischen Museums soll schrittweise bis 2020 erfolgen. Die ersten 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind ab dem 28. Oktober 2018 für die Bevölkerung wieder zugänglich.
Zum Auftakt ist im wiedereröffneten Museum eine große Ausstellung über die Geschichte von Tschechen und Slowaken zu sehen, die vor 100 Jahren ihren gemeinsamen Staat bildeten und seit 25 Jahren wieder getrennte Wege gehen. Die Ausstellung wurde zum Jubiläumsjahr von beiden Ländern gemeinsam vorbereitet und war bereits in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zu sehen. Nun wird sie bis zum 30. Juni 2019 in Prag gezeigt. Sie erzählt davon, wie das zunächst unrealistisch erscheinende Projekt eines eigenen Staates für Tschechen und Slowaken Wirklichkeit wurde und wie der neue Staat das Leben der Menschen beeinflusste. Sie blickt darauf, was die beiden Nationen verbindet, was sie trennt und was schließlich zum Ende des gemeinsamen Staates führte.
Fast 2.000 Exponate widmen sich den Entwicklungen in Politik und Wirtschaft, Kunst, Kultur und Freizeit. Nachgezeichnet werden die Lebensgeschichten von Menschen, die durch die Existenz der Tschechoslowakei beeinflusst wurden. Zu sehen sind auch einige Originaldokumente, die mit der Geschichte des Landes verknüpft sind, darunter der Pittsburgher Vertrag, in dem tschechische und slowakische Exilgruppen 1918 die Grundlagen für einen gemeinsamen Staat vereinbarten.
Parallel dazu widmet sich das Nationalmuseum in zwei Expositionen der eigenen Historie. So wirft die Ausstellung „2 x 100“ einen Blick auf die Geschichte des Hauses und seiner Sammlungen und zeigt 200 der eindrucksvollsten Objekte von den insgesamt rund 20 Millionen Exponaten des Nationalmuseums. Eine multimediale Präsentation widmet sich zudem der Geschichte und Zukunft des Museumsbaus. Bis zum Jahresende ist der Eintritt in die Eröffnungsausstellungen kostenlos.