Es hat schon ein wenig mit Akrobatik zu tun, was zahlreiche Touristen im Blarney Castle, nahe dem irischen Cork, da so auf sich nehmen. Um an den schicksalhaften „Blarney-Stein“, der die Gabe der Beredsamkeit verleihen soll, zu gelangen, lehnen sie sich rücklings über einen hohen Wehrgang. Nur ein darüber befestigtes Eisengitter gibt Halt, wenn es darum geht, den Zauberstein zu küssen und damit seine magische Wirkung zu aktivieren. Auch die erschwerten Rahmenbedingungen hielten mehrere Millionen Touristen jährlich nicht davon ab, dem Gabenstein ihre Lippen aufzudrücken. Doch jetzt stellt sich heraus, dass die „Pilger“ vermutlich den falschen Stein küssten.
Laut einer Untersuchung des Archäologen Mark Samuel und der Historikerin Kate Hamlyn, ist der gegenwärtige „Blarney-Stein“ erst seit 1888 in Gebrauch. Der frühere und originale Stein sei noch gefährlicher angebracht gewesen. Um ihn zu erreichen, mussten die Besucher kopfüber, an den Füßen gehalten, die Burgmauer hinabgelassen werden. Aus Sicherheitsgründen hätte man sich daher im 19. Jahrhundert entschlossen einen neuen Stein zu deklarieren.
Der Marketing-Manager des Schlosses, John Hogarty, ist gegenüber dieser Theorie natürlich ganz anderer Meinung. Laut ihm handelt es sich bei dem in die Festungsmauer eingelassenen Stück um ein Teil des historischen Blarney-Steins, auf dem einst die schottischen Könige gekrönt wurden. Dieses war ein Geschenk des Königs Robert von Schottland an den irischen König Cormac Mac Carthy, der seinem Thronnachbarn 1314 4000 Soldaten zur Unterstützung gegen die englischen Truppen gesandt hatte.
Als Beweis, dass es sich um den echten Stein handle, führt die Schlossverwaltung an, dass bereits viele Besucher, die den Stein geküsst hätten, sich zu Meistern der Beredsamkeit entwickelt hätten, wie etwa der ehemalige englische Premierminister Winston Churchill oder der schottische Komiker Billy Connolly.